Judith Siegmund :: Visual Art, Conceptual Art, Philosophy

Berufung - Job - Maloche? Arbeiten Herstellen Handeln


(Hannah-Arendt-Lesekurse) 2006


Also mir hat sehr gefallen: eine andere Sichtweise auf das Thema Arbeit. Durch unsere Vorbildung als gelernte DDR-Bürger sind wir ja vorwiegend mit Karl Marx konfrontiert worden und Friedrich Engels...
Ich kann vielleicht noch nicht alles so richtig nachvollziehen; der geschraubte Schreibstil, der etwas gewöhnungsbedürftig ist. Was mir aber sehr gefallen hat, was ich sehr gut nachvollziehen kann, ist das Handeln als Motor der Gesellschaft.


Das fand ich hochinteressant, wie sie "privat" und "Öffentlichkeit" gegeneinan-derstellt und in Beziehung bringt. Ich denke, das hat ja auch was zu tun mit uns in dieser neuen Bundesrepublik und der alten DDR, nicht? Da haben wir ja auch so was wie Öffentlichkeit gehabt, die staatlich approbiert war, und jeder mied sie und sie war unvertrauenswürdig. Man hat so etwas wie ein Pseudoleben in der Öffentlichkeit gehabt — aber eine unwahrscheinliche Burgmentalität privat gelebt. Die war sozusagen der Humus der Gesellschaft. Heute ist es umgekehrt, daß man eigentlich die Öffentlichkeit hat, in die man investieren könnte, und dennoch eigentlich zurück ins Private geht.


Wenn ich mir vorstelle, ich würde nur zur Arbeit gehen, damit ich die materielle Basis schaffe, um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, dann wäre mein Leben sehr arm. Ich habe immer das Gefühl gehabt, das, was ich tue, ist auch zum Teil Selbstzweck. Ich wollte, daß aus meiner Persönlichkeit all das rausgeholt wird, was ich glaube in mir stecken zu haben.


Vielleicht sollte ich noch anschließen, daß es jetzt aber so weit gekommen ist, daß es für viele Menschen ja gar nicht möglich ist, sich zu engagieren in der Gesellschaft, weil eben die Existenz nicht gesichert ist. Und viele würden vielleicht gerne, haben aber zwei Jobs, weil sie irgendwie zwei brauchen, denn in einem verdienen sie zu wenig. Und dann müssen sie im Rest der wenigen Zeit, die noch übrigbleibt, das Privatleben auf die Reihe kriegen. Da ist es gar nicht mehr möglich zu handeln. Es wird sozusagen die Möglichkeit genommen.


Daß sie natürlich jetzt versucht, ein gesellschaftliches Modell zu entwickeln, ist richtig. Aber Modelle haben immer so eine Angewohnheit, daß sie etwas realitätsfremd sind.


... daß die gewisse Trennung manchmal nicht möglich ist, also zwischen Herstellen, Arbeiten und Handeln, daß das miteinander so verschwimmt.


Ich staune, wenn man sich überlegt, wann die Hannah Arendt sich da Gedanken gemacht hat über Arbeiten, Herstellen, Handeln; wie aktuell das wirklich ist, also wie sehr uns das heute jetzt hier betrifft. Und ich finde z.B. auch diese Sache mit der Gleichheit sehr interessant. Also eben mal nicht von dem ökonomischen Gesichtspunkt auszugehen, wie man das normalerweise einfach macht, wie wir, glaube ich, einfach auch sozialisiert sind.


Ich war wirklich überrascht, daß in Weißenfels kulturell so was möglich ist.